Donnerstag, 26. Juni 2008
I can't relax in Deutschland
2006 war ein Jahr, das sicherlich den meisten Deutschen für immer im Gedächtnis bleibt, mir auch. Es war ein großartiges Jahr, für mich in jeder Hinsicht, für viele wegen der WM. Fußball-Euphorie in allen Ehren, mir macht der ganze Schmu auch tierisch Spaß und ich freu mich wenn Deutschland Europameister wird, aber da ist noch etwas. Das ist nicht nur Fußball-Euphorie, das ist Deutschland-Euphorie und die ist seit 2006 wieder in Ordnung. Ich kann mich erinnern wie ich froh war in einem Land zu leben, in dem Patriotismus nicht viel zählt. 2006 ist diese Einstellung erkrankt, 2008 ist sie gestorben.

Dieses Gefühl, dass wir wieder wer sind macht mich persönlich krank. Mir wird schlecht (und damit meine ich wortwörtlich Übelkeit) wenn ich daran denke wie sich allerorten die Menschen wieder anfangen über ihre Nationalität zu identifizieren, wie "deutsch" scheinbar wieder ein Charakterzug wird. Es ist mir ein Rätsel, wieso es Menschen gibt, die nicht verstehen dass man nicht stolz auf seine Nationalität sein kann. Man kann stolz sein auf sein Land, wenn 1994 ist in Südafrika (oder ähnliches). Wer aus diesem stolzen Land hat etwas getan dafür deutsch zu sein? Warum reicht es den Menschen nicht froh zu sein? Haben sie nichts worauf sie stolz sein können? Muss es nicht furchtbar schmerzhaft sein sich auf seine Nationalität zu reduzieren? Vor allem hier in Deutschland. Ein Land, in dem Handydatenvorratsspeicherung toleriert wird. Ein Land, in dem der Presserat es nicht schafft die BILD zurechtzuweisen. Ein Land, in dem Inder durch Kleinstädte gejagt werden. Ein Land, in dem niemand auf der Straße lächelt, wenn nicht gerade die Nationalelf was gerissen hat.

Gestern nach dem Spiel habe ich das Treiben beobachtet auf den Straßen und ich habe mir gewünscht für kurze Zeit in einem Paralleluniversum zu sein, in dem die Türkei gewonnen hat um zu sehen, ob dann auch Deutsche mit Türkeiflaggen unterwegs gewesen wären. Der singende, tanzende Abschaum des Universums freut sich deutsch zu sein und keiner sagt was. Und dann die Leute, die sagen "lass denen doch ihren Spaß", Leute die Sätze anfangen mit "ich sag's mal so..." um dann vor Ausländerfeindlichkeit aus dem Mund zum Himmel zu stinken (so gesehen auf dem Hurricane (!)). Wieso können wir Deutschen nicht als Menschen feiern, sondern müssen das als Deutsche tun. WIR haben nicht gewonnen, die Nationalmannschaft hat das getan.

70 Jahre land wurde der Schmutz unter den Teppich gekehrt, 2006 wurde das Land WM-fit gemacht und der Teppich ist verrutscht und 2008 wirbelt der Schmutz wieder durch die Lüfte. Nichts ist hier überstanden, nichts ist hier verarbeitet oder begriffen worden, nichts ist hier in Ordnung, allerhöchstens in deutscher Obrigkeitshöriger Ordnung.

Ich habe mich in Rage geschrieben, darum hör ich jetzt lieber auf.

Ein Nachtrag: Gestern habe ich einen Herren mit einem T-Shirt gesehen, auf dem waren drei Sterne in schwarz, rot, gold und darunter stand "Der Wahnsinn fängt wieder an".

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Dienstag, 10. Juni 2008
HUP HOLLAND!!!
Zitat des Tages:

Delling: Was haben Sie zu sagen zu ihrer Verteidigung?
Netzer: Nichts eigentlich, es gibt nichts zu verteidigen. Ich hab' Sie viel zu wenig beschmipft heute, das wird sich ändern.

And what remains of the day? Holland im Finale = Ich in Groningen. Holland ohne Gegentor im Halbfinale = Ich im Van der Sar Trikot.

Ich bin besoffen. Mit Recht.

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Hup Holland!
Ich finde es fast bedenklich wie sehr ich mich auf heute abend freue. Ich hoffe Oranje haut Italien den Arsch voll. Nicht, dass das falsch verstanden wird. Ich hoffe auch Oranje haut Deutschland und allen anderen den Arsch voll. Dann fahr ich nämlich nach Groningen und feiere.

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Samstag, 7. Juni 2008
Verteidigung der Nazivergleiche
Ich habe mich gerade ein wenig mit dem Thema Homophobie in den Texten vieler jamaikanischer Reggea- und Dancehallkünstler beschäftigt. Einige Foren habe ich mir durchgelesen und immer wieder kam es zu einem Schlagabtausch folgender Natur:

Reggea-Verteidiger:
"...Außerdem sind nur etwa 5% der Text von Sizzla schwulenfeindlich, der Rest befasst sich mit dem Thema überhaupt nicht..."

Reggea-Kritiker:
"...Eine Band in deren Texten zu etwa 5% die Ausrottung der Juden gefordert wird ist also auch in Ordnung?"

Reggea-Verteidiger:
"Das ist einfach typisch! Wenn ihr Reggea-Feinde keine Argumente mehr habt, kommt ihr einfach mit der Auschwitz-Keule. Die Nazivergleiche nerven!"

Das finde ich hochgradig verstörend. Erstens ist nämlich diese zunehmende Tendenz Nazivergleiche von vornherein für unangebracht zu halten schlichtweg verkehrt. Es gibt einfach Situationen in denen sie mehr als angebracht sind, wenn jemand die Ermordung einer bestimmten Minderheit fordert, ist das so eine Situation.

Zweitens, und ausschlaggebender, ist die Formulierung "Auschwitz-Keule". Das ist äußerst diffamierend gegenüber allen Opfern des zweiten Weltkriegs. Wenn jemand eine Äußerung oder die Argumentation einer Person alleine durch die Formulierung zerstört, dann funktioniert das, weil er dem Gegner jede Grundlage entzieht. Wer Nazivergleiche anführt wird sehr gern nicht ernst genommen, weil ihm ja angeblich das Wissen fehlt anders zu argumentieren. Tatsächlich hat er aber, so der Vergleich angebracht ist, die Weitsicht solche Zusammenhänge zu erkennen und den Mut sie anzusprechen. Dass er aber nicht ernst genommen wird, fällt zurück auf die Opfer. Es ist als würde man sagen, dass der millionenfache Tod und all das Leid uns nichts beigebracht haben darf, weil scheinbar nie die Schwelle erreicht ist, ab der Nazivergleiche valide sind.

Ich frage mich, wo diese Schwelle wohl liegt. Muss erst an türkische Lebensmittelläden geschrieben werden "Kauft nicht beim Türken", oder müssen tatsächlich Konzentrationslager für Homosexuelle her? Nazivergleiche haben eine absolute Daseinsberechtigung: Hier liegt eine Möglichkeit menschenverachtende Umstände als das zu beschreiben was sie sind. Wenn solche Vergleiche grundsätzlich von vornherein abgelehnt werden, dann haben wir tatsächlich nichts aus der Geschichte gelernt und es ist dann immernoch möglich Massen zu radikalisieren und einen wie auch immer gearteten Genozid auf die Beine zu stellen.

PS: Was für Deutschland und wahrscheinlich auch für weite Teile Europas die Auschwitz-Keule ist ist in den USA, insbesondere zur Zeit, die "race card". Es fehlt das Bewusstsein, dass die Formulierung "playing the race card" äußerst beleidigend für Schwarze und ihr Probleme im heutigen Amerika ist. Hier werden Argumente auf Nimmerwiedersehen vernichtet, einfach, weil die Rassen- und Rassismusproblematik nicht für vollwertig gesehen wird.

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